Dr. Ina Mittelstädt

Kennen Sie das? Sie stellen eine Frage oder geben eine Gruppenarbeit auf – und etliche Studierende schauen Sie verständnislos an. In Ihrem Kopf war die Aufgabe ganz klar: Aber sie ist nicht bei den Studierenden angekommen. Wenn das im Fernstudium passiert, kann das unangenehme Konsequenzen haben:

  1. Sie werden mit Emails von Studierenden überschüttet. Im besten Fall fragen sie alle das gleiche und Sie können es mit einer Mail an alle beantworten, aber im schlimmeren Fall sind die Studierenden in den Mails wütend, überfordert, verwirrt und/oder verunsichert.
  2. Studierende machen etwas völlig Anderes, als Sie wollten, und zwar etwas ziemlich Kontraproduktives, und Sie müssen sich jetzt überlegen, wie Sie das wieder geradebiegen.
  3. Studierende machen einfach gar nichts und brechen den Kurs schließlich ab (und dann hätten Sie sich die ganze Arbeit auch sparen können).

Damit das unwahrscheinlicher wird, haben wir Ihnen hier einige Tipps für das Gestalten von Aufgabenblättern für die Hochschullehre zusammengestellt – beruhend auf langjähriger eigener Erfahrung damit, aber natürlich auch auf Einsichten guter hochschuldidaktischer Literatur.

Damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Studierende eine Aufgabe bearbeiten und sie sie dabei auch noch gut und vielleicht sogar gern machen, müssen zwei Fragen klar beantwortet sein: 

Ist das wichtig?

Ja! Wieviel Lust haben Sie auf Aufgaben, die Ihnen sinnlos erscheinen? Wer macht gern etwas, das wie Beschäftigungstherapie aussieht? Zweifelsohne müssen wir alle immer mal wieder Dinge tun, auf die wir keine Lust haben. Aber in der Regel sitzen Studierende nicht den ganzen Tag zuhause an ihrem Computer und müssen sich allein durch schwierige Inputs quälen. Warum das so ermüdend ist: Weil sie sich immer wieder dagegen entscheiden müssen, etwas viel Angenehmeres zu tun, und je mehr von diesen Entscheidungen sie treffen müssen, umso schwerer fällt es ihnen (die sogenannte „Entscheidungsmüdigkeit“).

Wir können es ihnen einfacher machen, indem wir erklären, was der Sinn einer Aufgabe ist. Dann ist die Entscheidung nicht mehr zwischen ‚quälend‘ und ‚angenehm‘, sondern zwischen ‚wichtig‘ und ‚angenehm‘ – und das macht es immerhin ein bisschen leichter. Dazu sollte der Sinn der Aufgabe natürlich für die Studierenden plausibel klingen… Ist es also nicht zweifelsfrei selbsterklärend, wozu eine Aufgabe gut ist, leiten Sie sie mit einer kurzen Erläuterung ein:

Warum sollen die Studierenden das machen? Was ist das Ziel der Aufgabe?

Oder anders:

Was lernen die Studierenden durch die Aufgabe?

Was werden sie durch die Bearbeitung besser können oder verstehen? 


Was haben sie davon? Was bringt es ihnen? 

Vielleicht immerhin ein bisschen Spaß, weil Sie sich eine interessante Aufgabe ausgedacht haben?


Kann man vielleicht etwas mit den Ergebnissen machen? 

Zum Beispiel: in einer virtuellen Gruppendiskussion damit arbeiten, ein Quiz lösen können, greifbare Vorbereitung auf die Prüfung, Grundlage für die nächste Aufgabe?

Häufig merkt man erst, dass man eine Aufgabe nicht gut genug beschrieben hat, wenn dann all die Ergebnisse kommen, die in eine falsche Richtung gehen. Die folgende Liste fasst zusammen, was ich im Laufe der Jahre alles vergessen oder nicht bedacht habe ;-):

Ergebnis: Was soll bei der Aufgabe herauskommen?

      • Welches Format soll das Ergebnis haben (Statement, Exzerpt, Powerpoint-Folie…[1])?
      • Welchen Umfang soll das Ergebnis haben? (z.T. ist es sinnvoll, den Umfang zu begrenzen wie z.B. bei 25-Wort-/Ein-Satz-Aufgaben, z.T. braucht es eine Minimalgrenze, damit die Studierenden nicht zu oberflächlich arbeiten)
      • Welche Elaboriertheit und Detailliertheit soll es haben (z.B. Fließtext in eigenen Worten vs. Stichpunkte o. Zitat-Exzerpt)

Was müssen und was können sie dafür benutzen (und was nicht)?


Ggf.: Wie sollen sie dabei vorgehen?


Wieviel Zeit werden sie ungefähr dafür brauchen?

Stoppen Sie dafür z.B. die Zeit, die Sie für einen Ausschnitt der Aufgabe benötigen und rechnen Sie diese Zeit mindestens mal 1,5 oder mal 2 oder mehr, je nachdem, wie weit die Studierenden schon sind. Lesen Sie z.B. zwei Seiten der Pflichtlektüre und rechnen Sie dann die Zeit für den ganzen Text mit ausreichend Puffer hoch. Viele Studierende brauchen länger, als wir uns das vorstellen können.


WAS SIE VIELLEICHT AUSSERDEM NOCH ERWARTEN:


Wie wichtig sind Ihnen Grammatik und Orthographie?


Ist das Dateiformat für Sie wichtig?

Oder können Sie alle Formate – auch .txt oder .pages – öffnen? Sind Scans von handschriftlichen         Ausarbeitungen für Sie ok?


Sollen die Studierenden eine bestimmte Form einhalten oder ist formlos für Sie ok?

Teilweise hilft es, eine Form vorzugeben, siehe Beispiel 1.


Welche Daten sollte die Einreichung enthalten?

Name? Matrikelnummer? Datum?…


Wo/wie sollen die Studierenden die Aufgabe einreichen?

Aufgabenbaustein bei OLAT? Nextcloud-Ordner? Parallel dazu Eintragungen in ein OLAT-Forum? Gar nicht und nur Beleg über das Absolvieren eines kleinen Tests bei OLAT – Achtung, Studienleistungsvorgabe im Modulhandbuch befolgen.


[1] s. Leitfaden „Gute Selbststudiumsaufgaben“

Zeitplanung: 

Seien Sie sparsam mit der Zeit der Studierenden: Rechnen Sie großzügig, wie lange sie wohl brauchen könnten und schöpfen Sie nicht zwangsläufig alles aus, was das Modulhandbuch an Selbststudiumszeit angibt. Das Semester wird ohnehin hart für sie, da die wenigsten an soviel ‚Alleinlernen‘ gewöhnt sind. 


Learning by Doing: 

Schauen Sie stichprobenartig in die Ergebnisse der Studierenden und verändern Sie ggf. bei der nächsten Aufgabenstellung etwas: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und Schwimmen lernt man nur im Wasser.


Übersichtlichkeit 

Gestalten Sie das Blatt so, dass alle Informationen schnell erfassbar sind, z.B. durch große Überschriften oder grafische Markierungen. Je schlechter ein Aufgabenblatt strukturiert/gegliedert ist, desto höher ist die Gefahr, dass Studierende wichtige Informationen übersehen oder vergessen (s. Vorlage).


Vorlagen: 

Bereiten Sie – soweit passend und möglich – ausfüllbare Vorlagen vor wie Tabellen in Word (s. Beispiel 1) oder (falls Sie ein professionelles Acrobat haben) „Formulare“ in einer pdf-Datei (s. Beispiel 2). Dadurch verringern Sie Unsicherheiten und Fehler. 


Ordnung: 

Beziehen sich Aufgaben auf längere Texte, legen Sie diese gesondert ab (in einem OLAT- oder Nextcloud-Ordner o.Ä.) und schreiben Sie den Ort in die Aufgabenstellung; hängen Sie kürzere Ausschnitte oder Materialien direkt an das Arbeitsblatt an, um Verwirrung zu vermeiden.


Persönliche Ansprache: 

Versuchen Sie, etwas persönliche Ansprache an die Studierenden in das Aufgabenblatt hineinzubringen (wenn es Ihnen nicht zu großes Unbehagen bereitet). Die Studierenden werden in diesem Semester so einsam und verloren sein – es kann ihnen gut tun, nicht nur Dateien, sondern auch etwas von ihrem Dozenten oder ihrer Dozentin zu sehen oder auch mal Mut zugesprochen zu bekommen. Es hilft auch, wenn Sie kurz beruhigend auf die Schwierigkeiten eingehen, die die Studierenden wahrscheinlich haben werden (siehe etwa Beispiel 3).

Vorlage für ein Aufgabenblatt für das Selbststudium – darf gern verwendet und verändert werden: Worddatei | Pdf-Datei

Beispiel 1: Ausfüllbare Tabelle zur Texterarbeitung aus einem Seminar von Helge Batt

Beispiel 2: Aufgabenblatt für das Selbststudium aus einem Seminar von Ina Mittelstädt

Beispiel 3: Aufgabe und Ergebniszusammenfassung aus einem hochschuldidaktischen Blended-Learning-Kurs von Ina Mittelstädt